Kann man ein aktives Sexleben haben und trotzdem masturbieren, ohne dass dies ein Problem darstellt? Viele Menschen fragen sich, ob es „normal” ist, sich selbst zu befriedigen, wenn man in einer Partnerschaft sowieso regelmäßig Sex hat. Andere haben Schuldgefühle beim Masturbieren, weil sie Angst haben, ihren Partner oder ihre Partnerin zu verletzen oder den Eindruck zu erwecken, dass ihnen das gemeinsame Sexleben nicht ausreicht.
Selbstbefriedigung ein wichtiger Bestandteil der Sexualität, Punkt. Das Bedürfnis nach Solosex verschwindet nicht wie durch Zauberhand, sobald man in einer Beziehung ist oder ein erfülltes Sexleben hat. Im Gegenteil, sie kann sehr gut neben dem Geschlechtsverkehr zu zweit existieren und diesen sogar bereichern.
In diesem Artikel möchten wir einigen hartnäckigen Vorurteilen auf den Grund gehen und zeigen, wie ein aktives gemeinsames Sexleben und Selbstbefriedigung zusammen funktionieren können - ohne Eifersucht, Scham und unnötige Auseinandersetzungen.
Warum Sex und Masturbieren häufig als Gegensätze betrachtet werden
Lange Zeit hieß es, man müsse sich entscheiden: Entweder man hat ein „echtes“ Sexleben zu zweit oder man masturbiert ... und wartet auf etwas Besseres. Das Ergebnis: Sobald Selbstbefriedigung im Rahmen einer Partnerschaft vorkommt, kommen Probleme auf.
Tatsächlich kursieren nach wie vor Aussagen wie:
- “Wer masturbiert, hat kein erfüllendes Sexleben.”
- “Selbstbefriedigung ist doch nur was für Jugendliche oder Singles.”
- “Wenn man in einer Beziehung ist, macht man das nicht mehr.”
Diese Überzeugungen basieren auf einer sehr eingeschränkten Sichtweise von Sexualität, bei der sich alles auf den Penetrationssex in einer Paarbeziehung beschränkt. Masturbation gilt in diesem Fall als Plan B, obwohl es sich dabei doch eigentlich um eine eigenständige Form der Sexualität handelt.
Durch Erziehung und kulturelle Prägung werden außerdem Schuldgefühle vermittelt: „Das ist schmutzig“, „Das schadet der Gesundheit“ oder „Du wirst sehen, später wirst du das nicht mehr brauchen“. All diese Aussagen können auch im Erwachsenenalter noch im Hinterkopf präsent sein.
In manchen Fällen spielen auch Pornos eine Rolle: Sie stellen vor allem den Leistungsgedanken, die Penetration sowie sehr kodifizierte Szenarien in den Vordergrund ... und lassen wenig Raum für die Vorstellung, dass man auch ein erfülltes Solo-Sexleben haben kann, selbst wenn man in einer glücklichen Beziehung ist.
Wie Selbstbefriedigung eine Partnerschaft bereichern kann
Masturbieren, obwohl man häufig Sex hat, ist nicht „zu viel“ oder „überflüssig“. Es ist einfach eine weitere Möglichkeit, seine Lust auszuleben.
Den eigenen Körper und seine Reaktionen besser kennenlernen
Wenn Sie masturbieren, achten Sie verstärkt auf Ihre Empfindungen: Welche Berührung gefällt Ihnen, welcher Rhythmus erregt Sie, wo soll die Hand hingehen, wann sollen die Berührungen langsamer werden, wann schneller. Selbstbefriedigung ist eine sehr konkrete Methode, den eigenen Körper besser kennenzulernen.
Mit der Zeit wissen Sie, was Sie brauchen, um sexuell erregt zu sein, sich zu entspannen und zum Orgasmus zu kommen oder auch nicht. Dieses Wissen ist in einer Beziehung sehr wertvoll: Es hilft Ihnen, zu erklären, was Sie mögen, Ihren Partner bzw. Ihre Partnerin anzuleiten und aus dem berühmten „Rate, was ich will”-Spiel herauszukommen, das alle frustriert.
Besser mit dem eigenen Verlangen und Frustgefühlen umgehen können
Tatsächlich kommt es in einer Beziehung nur selten vor, dass man im selben Moment dasselbe will. Mal ist der eine müde, mal ist der andere gestresst. Dann gibt es noch die Kinder, Termine oder Alltagssorgen … kurz gesagt, das Leben.
Selbstbefriedigung gibt Ihnen die Möglichkeit, in diesen Momenten bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen, ohne dass es in Ihrer Beziehung jedes Mal zu einem kleinen Drama kommen muss. Sie verhindert, dass der andere jedes Mal Ja zu Sex sagen muss und kann aushelfen, wenn Sie gerade eine Zeit erleben, in der Sie seltener Sex haben, zum Beispiel durch Krankheit, Reisen, Wochenbett oder eine außergewöhnliche mentale Belastung.
In diesem Kontext ist Selbstbefriedigung kein Zeichen für ein Beziehungsproblem, sondern eine gesunde Art und Weise, sich um sich selbst zu kümmern.
Sich einen eigenen Raum für Intimität schaffen
Selbst in einer sehr harmonischen Beziehung muss nicht immer alles miteinander geteilt werden. Ein Geheimnis zu haben bedeutet nicht, den anderen weniger zu lieben, sondern lediglich, sich einen persönlichen Freiraum zu bewahren.
Masturbation gehört auch dazu. Dabei muss man nicht reden, keine Leistung erbringen, sich nicht anpassen. Es ist Ihre Auszeit, Ihr Rhythmus, Ihre Fantasie. Dieser persönliche Freiraum nimmt der Beziehung nichts weg, sondern kann Ihnen sogar helfen, entspannter und aufgeschlossener auf den anderen zuzugehen.
Kann Selbstbefriedigung einer Beziehung auch schaden?
Die Tatsache, dass Selbstbefriedigung und ein aktives Sexleben miteinander vereinbar sind, bedeutet nicht, dass es nie zu Spannungen kommt. Wie bei allem können auch hier Probleme auftreten.
Wenn Masturbation zu einem Zufluchtsort wird, um dem anderen aus dem Weg zu gehen
Manchmal wird Selbstbefriedigung genutzt, um Geschlechtsverkehr zu vermeiden, zum Beispiel wenn die Beziehung eine schwierige Phase durchläuft: Konflikte, unverarbeitete Beziehungsprobleme, mangelndes Selbstvertrauen ...
In diesem Fall ist nicht das Masturbieren das Problem, sondern das, was sie verdeckt. Wenn Sie es vorziehen, systematisch zu masturbieren, anstatt ihre sexuellen Bedürfnisse gemeinsam auszuleben, und wenn Sie Nähe vermeiden, kann es hilfreich sein, sich zu fragen, was dahintersteckt: Müdigkeit, Angst, Wut, nachlassendes Verlangen, unausgesprochene Probleme ...
Wenn Pornos zu viel Raum einnehmen
Selbstbefriedigung an sich ist neutral. Was manchmal problematisch sein kann, ist die intensive Nutzung bestimmter Medien währenddessen, insbesondere von Pornos.
Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie ohne Videos nur schwer sexuelle Erregung empfinden können, immer extremere Inhalte benötigen, Ihren Partner oder Ihre Partnerin mit den gesehenen Bildern vergleichen oder sich Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin angesichts dieser Inhalte abgewertet fühlt, dann sollten Sie Ihre Sexualität insgesamt hinterfragen. Hier geht es nicht um “Selbstbefriedigung vs. Partnerschaft”, sondern darum, wie man Medien integrieren kann, ohne dass sie alles aus dem Gleichgewicht bringen.
Alarmzeichen
Folgende Anzeichen sollten Sie alarmieren:
- Sie verspüren weniger Verlangen nach Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin.
- Sie bevorzugen systematisch den Solosex.
- Sie haben starke Schuldgefühle und das Gefühl, nicht mehr kontrollieren zu können, wie häufig Sie masturbieren.
- Es kommt wiederholt zu Streitigkeiten in der Partnerschaft zu diesem Thema.
All dies sind keine Beweise dafür, dass Ihre Beziehung keine Zukunft mehr hat, sondern nur Signale, dass es vielleicht an der Zeit ist, darüber zu sprechen oder sich sogar von einem Profi, also einem Sexologen oder einem Therapeuten, begleiten zu lassen, um die Spannungen abzubauen.
Wie man ohne Scham und Tabus in der Beziehung über Selbstbefriedigung sprechen kann
Die Frage lautet nicht „Masturbierst du?“, sondern: „Können wir darüber sprechen, ohne uns zu streiten?“. Darauf kommt es an.
Den richtigen Zeitpunkt finden
Lassen Sie sich nicht auf hitzige Streitgespräche ein, weil Sie vielleicht gerade ein Video oder ein Sexspielzeug entdeckt haben. Wählen Sie lieber ganz bewusst einen Moment für Ihr Gespräch aus, an dem Sie beide Zeit haben und sich ganz entspannt und ohne Druck unterhalten können.
Sie können zum Beispiel sagen:
- „Ich stelle mir im Moment Fragen zum Thema Selbstbefriedigung in der Beziehung und würde gerne deine Meinung dazu hören.“
- „Ich frage mich, wie du damit umgehst, dass ich manchmal masturbiere. Können wir darüber reden?“
Dabei geht es nicht darum, den anderen in ein Verhör zu verwickeln, sondern die eigenen Gefühle mitzuteilen.
Über die eigenen Bedürfnisse und Grenzen sprechen
Jeder hat seine eigene Art, mit Selbstbefriedigung umzugehen. Für manche ist es etwas sehr Privates und Intimes. Für andere ist es etwas, das sie manchmal gerne in ihre Sexualität zu zweit einbeziehen würden.
Sie können zum Beispiel sagen:
- dass es Ihnen nichts ausmacht, wenn Ihr Partner oder Ihre Partnerin masturbiert, aber dass es Sie verletzt, wenn Sie das Gefühl haben, dass er bzw. sie Ihnen aus dem Weg geht
- oder dass Selbstbefriedigung für Sie etwas sehr Persönliches ist, das Sie gerne ausleben würden, ohne den anderen auszuschließen.
Hier gilt: Es gibt kein Richtig oder Falsch, sondern nur ein offenes, ehrliches Gespräch.
Den anderen beruhigen
Viele Ängste drehen sich um den Gedanken: „Was, wenn ich ihm oder ihr nicht mehr ausreiche?“ Daher ist es wichtig, klar zu betonen, dass Selbstbefriedigung keinen Ersatz für den Partner oder die Partnerin darstellt.
Die Empfindungen beim Solo-Sex und die
Empfindungen zu zweit
spielen nicht in derselben Liga. Die Anwesenheit einer anderen Person, die Streicheleinheiten und Berührungen, die Körperwärme, die Blicke, die geflüsterten Worte können beim Solosex nicht reproduziert werden. Es handelt sich also um zwei verschiedene Dinge, die nebeneinander existieren können.
Die eigentliche Frage lautet also nicht „Ist beides miteinander vereinbar?“, sondern: „Wie können wir unsere Sexualität so gestalten, dass sich Sex und Selbstbefriedigung ergänzen, anstatt miteinander zu konkurrieren?“
Die Antwort lässt sich in wenigen Punkten zusammenfassen: sich besser kennenlernen, sich respektieren, sich trauen, offen miteinander zu sprechen und sich an den anderen anpassen. Dann ist es durchaus möglich, ein aktives Sexleben zu zweit zu haben und weiterhin zu masturbieren ... und beides zu einer Quelle der Lust zu machen, statt zu einer Quelle des Konflikts.