Eigentlich sind es doch nur die Frauen, die einen Orgasmus vortäuschen, um das Ego ihres Partners zu schonen … oder? Können auch Männer simulieren und den Orgasmus nur vorspielen? Das LOVE Team hat sich für Sie umgehört.
Lange Zeit wurde angenommen, dass nur Frauen sich im Bett verstellen. Weil sie sich schämen, einen gewissen Druck verspüren oder einfach weil die Chemie nicht stimmt, vor allem, wenn man einen Körper und einen Menschen im Bett neu entdeckt. Und die Männer? Die können immer und kommen dabei schnell und leicht zum Orgasmus. Oder? Laut einer Statista-Studie aus Frankreich, die 2024 veröffentlicht wurde, haben 42 % der befragten Männer schon einmal einen Orgasmus vorgetäuscht. Diese Zahl zeigt, dass wir es nicht mit Zufällen oder Minderheiten zu tun haben. Das wirft Fragen auf: Warum täuschen Männer ihre Lust nur vor? Wie gehen Sie dabei vor? Und vor allem: Was sagt das über ihre Beziehung zu Sex allgemein, zur sexuellen Performance und zu Partnerin oder Partner aus? Wir haben uns umgehört und uns mit Männern unterhalten, die bereits einen Orgasmus vorgetäuscht haben, um diesen Fragen auf den Grund zu gehen und zu verstehen, was dahintersteckt.
Blockaden im Bett: Ursachen für den Fake-Orgasmus bei Männern
Man neigt dazu zu glauben, dass Männer leicht zum Höhepunkt kommen, dass eine einfache Penetration ausreicht, um sie zum Explodieren zu bringen. Aber das ist ein hartnäckiges Klischee und die Realität sieht oft ganz anders aus. Ja, auch der männliche Orgasmus kann manchmal auf sich warten lassen oder einfach gar nicht kommen.
Wenn der Körper nicht will
Manche Männer leiden unter der sogenannten Anejakulation, d. h. der Unfähigkeit, trotz ausreichender Stimulation zu ejakulieren. Hierfür können verschiedene körperliche Ursachen verantwortlich sein: eine Anomalie in der Spermienproduktion, eine Blockade in den Ejakulationsgängen, eine neurologische Störung oder auch Nervenschäden. In diesen Fällen lohnt es sich, dies medizinisch von einem Urologen abklären zu lassen.
Wenn der Kopf sich einmischt
Der Orgasmus ist keine reine mechanische Angelegenheit. Für einen Orgasmus muss man Loslassen können. Und genau da kann es zu Blockaden kommen: Die Angst, nicht gut genug zu sein, die Angst vor ungeschütztem Geschlechtsverkehr, Stress durch eine außereheliche Beziehung oder in der Kindheit anerzogene Scham- und Schuldgefühle rund um das Thema Sex - es gibt viele Gründe, weshalb das Gehirn sich weigert, abzuschalten.
Und manchmal ist es etwas komplizierter. Auch wenn man sich in der Beziehung nicht wohlfühlt, es Spannungen gibt oder die Gefühle füreinander nicht ausreichen, kann ein Loslassen beim Sex mental behindert werden.
Zu viel Porno, zu viel Selbstbefriedigung
Ein weiterer möglicher Faktor ist der sehr regelmäßige Konsum von Pornos in Verbindung mit häufiger Selbstbefriedigung. Durch die Konditionierung auf sehr spezifische Stimulationen fällt es dem Körper schwer, sich auf „echten“ Geschlechtsverkehr einzulassen, der weniger intensiv und weniger vorhersehbar ist.
Oder einfach: keine Lust
Und dann gibt es die Tage, an denen einfach nichts geht. An denen die Erregung nicht da ist, auch wenn man grundsätzlich Lust hat. Das bedeutet nicht, dass man grundsätzlich kein Verlangen oder keine Lust verspürt, sondern nur, dass kein Orgasmus kommt. Und das ist auch in Ordnung so.
Warum Männer einen Orgasmus vortäuschen
In einer intimen Situation zu sagen „Ich kann das nicht“, ist nicht immer einfach. Vor allem, wenn die Beziehung noch ganz frisch ist oder es sich um einen One-Night-Stand handelt. In diesem Fall erscheint es einfacher, die Lust vorzutäuschen, anstatt sich selbst und jemand anders gegenüber eine Blockade einzugestehen. Auch die Angst, Partnerin oder Partner zu kränken oder zu enttäuschen, spielt eine Rolle. Und in einer Gesellschaft, in der die sexuelle Leistungsfähigkeit immer noch mit Männlichkeit assoziiert wird, ist es nicht ungewöhnlich, dass manche Männer es vorziehen zu schauspielern, als zu riskieren, dass ihre Männlichkeit in Frage gestellt wird.
Andere tun es aus reinem Pragmatismus: Wenn sie das Gefühl haben, dass der Orgasmus nicht kommt, sie nicht mehr die Energie haben, weiterzumachen, oder einfach nur Langeweile verspüren, ist ein Fake-Orgasmus das kleinere Übel.
Natürlich spielt auch der körperliche Zustand eine Rolle. Manchmal ist man einfach müde, fühlt sich nicht fit oder ist nach einem anstrengenden Tag nicht mehr in der Lage, die Sache zu Ende zu bringen. Wer in dieser Situation nicht blöd dastehen möchte, täuscht den Orgasmus eben schnell vor.
Letztendlich sind die Gründe, die Männer zum Simulieren veranlassen, gar nicht so verschieden von denen, die man von Frauen kennt. Es geht darum, unangenehme Situationen zu vermeiden, sich selbst oder den anderen zu schützen, sein Ego zu wahren oder einfach nur etwas schnell zu Ende zu bringen, das nicht gut läuft.
Sie haben es getan: drei Männer berichten von ihrem Fake-Orgasmus
Sie haben immer gedacht, das gibt es doch nicht? Falsch gedacht! Wir haben unsere männliche Community in den sozialen Netzwerken befragt: Wer hat schon einmal einen Orgasmus vorgetäuscht und warum? Darauf haben wir zahlreiche Antworten erhalten, von denen wir Ihnen drei nicht vorenthalten möchten, die zeigen, wie vielfältig und wie menschlich die Gründe sind.
Paul*, 28 Jahre: “Ich habe sie in einem Club kennengelernt. Wir hatten sofort einen Draht zueinander. Aber als wir dann irgendwann miteinander im Bett gelandet sind, war der ganze Zauber auf einmal weg. Ich habe mich ihr überhaupt nicht mehr nahe gefühlt und war ganz woanders. Je länger es dauerte, desto mehr dachte ich: Was läuft hier gerade eigentlich? Als ich merkte, dass mein Körper nicht mehr mitmachen wollte, simulierte ich lieber, als die Erektion völlig zu verlieren. Wahrscheinlich aus Stolz.”
Andreas*, 35 Jahre:“Meine Frau und ich hatten einen Kinderwunsch. Immer, wenn der Eisprung kam, musste es passieren. Aber eigentlich hatte ich große Zweifel. Ich wusste nicht, ob ich wirklich bereit für ein Kind bin. Also habe ich ein paar Mal so getan, als würde ich kommen, nur um zu verhindern, dass es klappt. Es fällt mir nicht leicht, das zuzugeben, aber ich konnte nicht anders. Das mit dem Baby hat nicht geklappt. Wir haben uns ein paar Monate später getrennt.”
Leo*, 40 Jahre:“Ich bin schon seit vielen Jahren mit meinem Freund zusammen und unsere Beziehung läuft gut, aber es gibt Abende, an denen ich einfach nur meine Ruhe haben möchte. Wenn ich weiß, dass ich mit den Gedanken woanders bin und dass ich nicht kommen kann, simuliere ich. Nicht, um zu lügen, sondern nur, um ihn nicht zu verletzen. Und manchmal auch ... um schneller meine Serie schauen zu können.”
Was, wenn es zu häufig passiert?
Es ist nicht schlimm, ab und zu einen Orgasmus vorzutäuschen. Aber wenn es ein Reflex oder ein Automatismus wird, lohnt es sich, das eigene Verhalten zu hinterfragen. Gute Nachrichten für alle, die sich gerade angesprochen fühlen: Es gibt Lösungen! Und nein, sie haben nichts mit Ausschweigen und Schamgefühlen zu tun.
Lieber darüber reden, als weiter zu schauspielern
Ihre Partnerin oder Ihr Partner hat vermutlich keine Lust, einen weiteren gut inszenierten Fake-Orgasmus mitzuerleben. Er oder sie wird ein offenes und ehrliches Gespräch mit Ihnen vorziehen. Zu erklären, was passiert oder was eben nicht passiert, kann viele Spannungen lösen.
Sich gründlich durchchecken lassen
Wenn Sie regelmäßig Schwierigkeiten haben, zum Orgasmus zu kommen, lohnt es sich, sich einen ärztlichen Rat bei einem Urologen einzuholen. Eine medizinische Untersuchung kann eine mögliche physiologische Störung aufdecken (die manchmal wirklich leicht zu behandeln sind).
Hilfe in einer Sexualtherapie suchen
Wenn die Blockade eher im Kopf ist, mit Ihrer Gefühlslage oder der Beziehung zu tun hat, kann ein Sexualtherapeut helfen, Klarheit zu gewinnen. In einer Therapie kann man lernen, zu entspannen und loszulassen. Manchmal reichen schon ein paar Sitzungen aus, um die Situation nachhaltig zu ändern.
Neue Reize schaffen
Mit einem Sexspielzeug können Sie ganz schnell und unkompliziert neue Reize schaffen. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Penisring, um die Erektion zu festigen? Oder mit einem Analplug, um mal etwas ganz Neues auszuprobieren? Oder mit einem Masturbator, den Sie gemeinsam beim Vorspiel benutzen könnten? Manchmal wirkt ein Sextoy Wunder. Und dabei geht es nicht darum zu schummeln, sondern darum, sich mal anders zu vergnügen.
Weniger masturbieren
Masturbieren ist natürlich gesund. Aber wer zu oft masturbiert, spürt vielleicht, wie die Sensibilität und sogar die Motivation zurückgehen, vor allem, wenn man kurz vor dem Geschlechtsverkehr masturbiert. Darum ist es empfehlenswert, nicht komplett mit dem Masturbieren aufzuhören, sondern ein gewisses Gleichgewicht zu finden, damit die Lust aufkommen kann, wenn man Sex haben möchte.
Sie sehen also, dass es sehr wohl vorgetäuschte Orgasmen bei Männern gibt. Und dabei geht es meistens um mehr als nur Schauspielerei. Die betroffenen Männer verspüren vielleicht zu viel Druck, eine große Müdigkeit, Zweifel oder einfach Langeweile aufgrund der immer wiederkehrenden Routinen im Bett. Es gibt viele Gründe, die Sie aber keinesfalls einfach so hinnehmen müssen. Probleme offen ansprechen, Dinge hinterfragen und auf sich selbst hören sind schließlich entscheidende Aspekte eines erfüllenden Liebeslebens.